Erstaunlich viel Elektronik lässt sich noch reparieren in der Schweiz

Die Schweiz erzeugt am viertmeisten Elektroschrott in Europa. Doch das wäre vermeidbar – denn erstaunlich viel Elektronik lässt sich günstig reparieren. Wir erklären was möglich ist und was das Recht auf Reparatur bedeutet.

Schweizer Elektroschrottmeister

Im Durchschnitt hat jeder Schweizer 51,5 Kilo Elektroschrott im Haushalt. Das ist Platz 4 in Europa und 40 Kilo mehr als in Moldawien! Und das, obwohl gemäss einer Studie der Allianz 98 % aller Schweizer Konsumenten für ein Reparatur-Label wären. Die gute Nachricht: 76 % der Bevölkerung möchte auch reparieren lassen – doch was lässt sich reparieren und wo sind die Grenzen?

Das Verständnis für Elektronik ist entscheidend

Häufig hört man, dass sich Elektronik nicht mehr reparieren lässt. Und bringt man ein Gerät zur Reparatur beim Hersteller, heisst es: Die Hauptplatine ist defekt, ein Ersatz kostet mehr als ein neues Gerät. Was dabei untergeht: Die Hersteller selbst reparieren meist nichts, sie ersetzen «nur» Teile. Unabhängige Werkstätten hingegen reparieren die Bauteile selbst (sogenannte Chip-Level oder Bordlevel Reparaturen). Um damit erfolgreich zu sein, wird allerdings einiges an elektronischem Verständnis gefordert – und genau das macht den Unterschied.

Denn nur mit dem richtigen Verständnis können die Spannungen und Verhaltensweisen auf der Platine gemessen werden. Einfache Fehler, wie z.B. ein Kurzschluss in der Hauptspannungsversorgung können so innerhalb kurzer Zeit mittels Infrarotkamera gefunden werden. Firmen wie die Rossmann Repair Group oder iPadRehab in den USA haben das Potenzial solcher Reparaturen eindrücklich gezeigt.

Was sich reparieren lässt

Was lässt sich denn nun alles noch reparieren und so vor dem Elektroschrott retten? Einfache Fehler wie ein Displayschaden, Akkutausch oder andere Standard-Defekte lassen sich nahezu immer reparieren. Bei anderen Problemen ist die Antwort etwas komplexer. Aus finanzieller Sicht eignet sich alles mit einem Wert über 50 Fr. oder einem einfachen Fehler für eine Reparatur, da häufig nur kleine Bauteile wie Dioden, Transistoren oder Kondensatoren defekt sind.

Generell lassen sich Geräte ohne ein Lebenszeichen besser reparieren als solche mit sporadischem Fehler. Der Erfolg einer Reparatur ist allerdings schwer im Voraus abzuschätzen. Deshalb empfiehlt es sich einen Reparaturbetrieb zu kontaktieren, um eine klare Einschätzung zu erhalten.

Der Gerätetyp spielt dabei keine grosse Rolle. Es lässt sich sehr viel reparieren:

• Smartphones, Tablets und Smartwatches
• Laptops und PCs
• Spielkonsolen und Unterhaltungselektronik
• Elektrokleingeräte wie Drohnen, Kameras, Küchenmaschinen etc.
• Haushaltsgeräte wie Waschmaschine, Staubsauger etc.
• Fahrzeugelektronik & Steuergeräte
• Industrieelektronik

Kurz gesagt: Der Gerätetyp spielt keine Rolle, solange das entsprechende Fachwissen vorhanden ist.

Einschränkungen bei Reparaturen

Wie überall, gibt es auch hier gewisse Einschränkungen, welche vor allem durch die Hersteller bestimmt sind. Viele Hersteller setzen auf ein Reparatur-unfreundliches Design ihrer Produkte. Verbreitet ist z.B. das Verkleben von Gehäuse und Akkus oder codieren von Ersatzteilen.

Dies sind lästige Hindernisse und dienen häufig nur dazu, ein Service-Monopol aufzubauen. Trotz dessen schliesst das eine Reparatur nicht prinzipiell aus: Platinen können auch ohne Schaltpläne vom Hersteller repariert werden und mit dem richtigen Werkzeug kann jedes Gehäuse geöffnet werden. Festgeklebte Akkus können z.B. mit Isopropanol sehr gut entfernt werden und bei iPhones lässt sich die Rückseite mittels Lasermaschine einfach ersetzen.

Auch Ersatzteilverfügbarkeit ist ein wichtiges Stichwort. Hersteller bieten diese meist nicht im grossen Stil an, was in der Theorie Reparaturen schwierig macht. In der Praxis wird aber häufig auf Spendergeräte zurückgegriffen. Dies können irreparable oder neue Geräte sein, welche für Ersatzteile ausgeschlachtet werden. Ein solches Spendergerät kann so viele andere retten.

Obwohl aktuelle Technik deutlich komplexer ist, lässt sich viel reparieren.

Das Recht auf Reparatur

In den letzten Jahren entstand ein immer grösserer Gegentrend. Die sogenannte „Right to Repair“ Bewegung setzt sich für Reparatur-freundliche Produkte ein. Die Forderungen lauten: reparierbare Geräte und bessere Ersatzteilverfügbarkeit von den Herstellern. Right to Repair hat in letzter Zeit weltweit immer mehr Zuspruch erhalten. Im Video unten ist alles nochmals ausführlich beschrieben und zusammengefasst.

Es muss nicht immer die Reparatur sein

Aber was, wenn das Gerät gar nicht mehr benötigt wird und eine Reparatur deshalb sinnlos ist? Auch dann gibt es Möglichkeiten, Elektroschrott zu vermeiden. Schweizweit gibt es diverse «re-buy» Angebot wie Neofix oder Revendo. So können gebrauchte oder defekte Geräte ganz einfach verkauft werden und erhalten ein zweites Leben. Smartphones könnten zudem für viele andere Zwecke genutzt werden. Anbei eine kleine Auswahl:

• Als Notfalltelefon
• Handheld Spielkonsole
• Webcam
• Fitness-Tracker
• Auto-Navi
• Geschenk für die Grosseltern/Kinder

Fazit

Reparaturen von Elektrogeräten sind häufiger möglich als angenommen. Weil Hersteller Ihre Geräte schlecht gestalten und statt einzelner Komponenten häufige ganze Teile ersetzen, entsteht der Eindruck, Elektronik liesse sich nicht mehr reparieren. Dies trifft allerdings nicht zu: Diverse unabhängige Werkstätten zeigen weltweit das Potenzial.

Reparaturen sind trotz einiger Einschränkungen eine super Möglichkeit Elektroschrott zu minimieren.